Wieso CO2 einen Preis haben muss

Meinungsblog von André Grossen

Kohlenstoffdioxid, umgangssprachlich Kohlendioxid, ist ein natürlicher Bestandteil unserer Luft. Gleichzeitig ist es Treiber der Klimaerwärmung und damit einer der grössten Herausforderungen unserer Zeit. Das unsichtbare Abfallprodukt unserer Konsumgesellschaft hat jedoch keinen Preis und klimaschädliches Verhalten wird oft finanziell belohnt. Der Autor dieses Blogs ist überzeugt, dass CO2 dringend einen Preis benötigt.

Der Mensch, unser Planet und seine Ressourcen

Seit den ersten menschlichen Zivilisationen bildet die Natur die Grundlage unseres Wirtschaftens. Die Landwirtschaft ermöglichte dem Menschen eine bessere Ernährungsgrundlage und damit die Grundlage für immer grössere Zivilisationen und Städte. Während der Mensch über Jahrtausende mit der Natur lebte, lebt er heute von der Natur. Mit dem fortschreitenden wissenschaftlichen Verständnis über die Natur und ökologische Zusammenhänge war es der Menschheit möglich, in immer mehr natürliche Systeme einzugreifen und sich diese isoliert zu Nutze zu machen. Verbesserte landwirtschaftliche Anbautechniken ermöglichten unserer Spezies ein vorher unvorstellbares Wachstum. Im Jahr 1900 bevölkerten bereits mehr als 1,65 Milliarden Menschen die Erde – ein Wert, der sich im Lauf des 20. Jahrhunderts etwa auf 6,15 Milliarden vervierfachen wird. Im November 2022 überschritt die Weltbevölkerung bereits die 8-Milliarden-Grenze. Der Ressourcenverbrauch wird dabei immer weniger nachhaltig. Die Formung von zuvor wilder Natur zu ökonomisch möglichst effizienter Nutzung wirkt sich katastrophal auf die Artenvielfalt und die natürlichen Systeme unseres Planeten aus. Seit Mitte der 1970ger Jahre liegt der ökologische Fussabdruck der Menschheit über dem, was unser Planet langfristig verkraften könnte. In der Schweiz liegen wir heute um den Faktor drei darüber! Der Klimawandel ist dabei nur eines der vielen Symptome, die aus unserem exzessiven Verbrauch natürlicher Ressourcen resultieren. Aber er ist für sich genommen eine der grössten Herausforderungen unserer Zeit.

Lenkung funktioniert, drei Beispiele

Bis Mitte des letzten Jahrhunderts entsorgten wir die Abfälle von Mensch und Industrie direkt in unsere Seen. Schweizer Gewässer waren stark verschmutzt, Krankheiten verbreiteten sich. Dass sich die Sauberkeit unserer Gewässer seither stark verbessert hat, verdanken wir Umweltschutzrichtlinien und vor allem Kläranlagen. Heute ist die Reinigung unseres Abwassers für uns selbstverständlich und wir sind stolz auf unsere sauberen Gewässer und darauf, dass wir im Rhein, der Aare oder der Reuss ohne gesundheitliche Bedenken schwimmen können.

Seit den achtziger Jahren haben die meisten Schweizer Gemeinden Gebühren für ihren Abfall eingeführt. Das führte zu heftigen Reaktionen. Niemand bezahlt gerne für etwas, was zuvor gratis war. Der Effekt ist eindeutig: Sobald eine Gemeinde die Sackgebühr eingeführt hat, sinken die brennbaren Abfälle im Schnitt um 30 Prozent. Gleichzeitig nimmt die Menge der recycelten Abfälle um denselben Prozentsatz zu. Heute gibt es kaum mehr Diskussionen über Abfallgebühren.

Als die Schweizer Grossverteiler als kleinsten möglichsten Schritt in Richtung Nachhaltigkeit damit begannen, für Plastiksäcke an der Kasse fünf Rappen zu verlangen, war der Aufschrei gross. Die Wirkung: Es werden 80 Prozent weniger Plastiksäcke verbraucht. Bei Kunststoffen steht die Schweiz heute im europäischen Vergleich mit 95 Kilogramm Kunststoffabfällen pro Jahr noch immer ganz oben auf der Verschwender-Rangliste. Und nicht nur bei Kunststoff ist handeln gefragt. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Smartphones liegt deutlich unter drei Jahren. Auch andere technische Geräte werden viel zu schnell weggeworfen. Bei Einweg-Vapes, die sich vor allem bei der jungen Generation steigender Beliebtheit erfreuen, landet für ein paar Züge Zigarettenersatz ein Akku im Müll (viel zu selten zu im Recycling).

Diese ehemaligen und aktuellen Problemfelder haben alle eines gemein: wir sehen sie und nehmen sie wahr. So wird beim Verkehr gehandelt, wenn Menschen zum Beispiel durch den Geruch von Schwefeldioxid (ein Abfallprodukt des Strassenverkehrs) zu stark belästigt werden. Weil wir CO2 nicht direkt wahrnehmen, entsteht wenig gesellschaftlicher Druck für Regulierung.

Der unsichtbare Abfall der Konsumgesellschaft

Kohlenstoffdioxid, kurz CO2, ist ein natürlicher Bestandteil unserer Luft. Das Gas ist geruchslos, unsichtbar, wasserlöslich (mit Wasser gemischt entsteht daraus Kohlensäure), nicht brennbar und an sich ungiftig. Es entsteht unter anderem durch Verbrennung fossiler Energieträger oder durch die Atmung von Lebewesen. Kohlenstoffdioxid kommt in der Erdatmosphäre natürlich vor. Einmal dort, baut es sich im Gegensatz zu anderen Stoffen aber nicht selbst ab. Doch CO2 entsteht nicht nur durch natürliche Prozesse. Der Mensch setzt durch die Verbrennung fossiler Energieträger seit der Industrialisierung immer mehr davon frei. Die CO2 Konzentration in der Atmosphäre nimmt seither stetig zu. Kohlenstoffdioxid ist das wichtigste bekannte Treibhausgas und massgeblich für den Klimawandel mitverantwortlich. Auch andere Gase tragen zum Treibhauseffekt bei. Der Einfachheit halber werden diese oft zu CO2-Äquivalenten (CO2eq) umgerechnet. So entspricht eine Einheit Methan etwa 28 CO2eq.

Die zu erwartenden Folgen des Klimawandels erinnern an apokalyptische Romane: die Gletscher schmelzen, der Meeresspiegel steigt an, Ozeane versauern, Böden versalzen, Grundwasserspiegel sinken, Wüstengebiete breiten sich aus und die Artenvielfalt schwindet. Da der Treibhauseffekt hinlänglich wissenschaftlich belegt ist, versucht die internationale Politik seit Jahren, die Klimaerwärmung durch eine Reduktion des CO2-Ausstosses zu begrenzen.

Ein kleiner Schritt in Richtung Kostengerechtigkeit

Einer der Gründe, wieso viele Menschen die dramatischen Folgen dieses Abfallprodukts der menschlichen Lebensweise ignorieren, liegt auf der Hand. Wir sehen, riechen und schmecken CO2 nicht. Dem Kohlenstoffdioxid ist es egal, ob wir an seine Auswirkungen glauben oder nicht. Es reichert sich in unserer Atmosphäre an und verursacht Veränderungen, mit deren Folgen unsere Nachkommen über Jahrtausende werden umgehen müssen.

Um uns umweltfreundlicher zu verhalten, gibt es die bekannte Losung: Reduce, Reuse, Recycle (reduzieren, wiederverwenden, recyceln). Damit Menschen und Industrie ihr Verhalten nachhaltig ändern, reichen gut gemeinte Apelle leider nur wenig. Ein Ansatz hat sich hingegen immer wieder bewährt, egal ob beim Hausmüll oder beim Raschelsäckli im Grossverteiler: Die Lenkungsabgabe.

Die Umweltverschmutzung wird heute nicht in die Kosten mit eingerechnet. CO2-Emissionen müssen zwingend und allgemein einen Preis erhalten. Das ist kein Diebstahl an Unternehmen und Bevölkerung, sondern ein kleiner Schritt in Richtung Kostengerechtigkeit. Würden die ökologischen und ökonomischen Folgen unseres Verhaltens in die Kalkulationen mit eingerechnet, würden wir unser Verhalten gezwungenermassen überdenken, während heute klimaschädliches Verhalten viel zu oft finanziell belohnt wird. Flüge würden auf Kurz- und Mittelstrecken nicht mehr die europaweit teuer erbauten Hochgeschwindigkeits-Zugverbindungen konkurrenzieren. Die Energie aus Kohlekraftwerken wäre nicht mehr billig und würde die längst überfällige Verlagerung auf erneuerbare Energien nicht weiter verzögern. Kreuzfahrten wären keine kostengünstige Alternative für den Familienurlaub (eine Woche Kreuzfahrt verursacht pro Person und Woche so viele CO2-Emissionen wie eine 9000 Kilometer lange Autofahrt). Aber auch im Alltag würden viele kleine Entscheidungen positiv zu Gunsten des Klimas beeinflusst. Fleisch käme beispielsweise vielleicht etwas weniger in den Topf. Lenkungsabgaben wirken, also benötigen wir sie als Puzzlestein zur Verlangsamung des Klimawandels.

Lösungen statt Solutionismus

Die immer leistungsfähigeren künstlichen Intelligenzen bilden die Grundlage für eine neue Ideologie: Den Solutionismus. Alle Probleme der Welt liessen sich lösen, wenn wir nur ausreichend Daten (Big Data) einem Algorithmus übergeben, der uns daraus die beste Lösung errechnet. E-Fuels, synthetisches Fleisch und CO2-absaugende Maschinen würden die Klimakrise lösen, ohne dass wir unser Verhalten hinterfragen oder gar anpassen müssten. Das Ganze hat einen grossen Haken: Wir vertrauen dabei darauf, dass künstliche Intelligenz schon eine Lösung finden wird. Aktuell bewerben auch in der Schweiz politische Kräfte bereits neue Kernfusionstechnologien als Lösung der Energiefrage, auch wenn die Technologie bis heute erst auf dem Papier und im Experimentstatus existiert und von einer allgemeinen Anwendung meilenweit entfernt ist. Damit wird die Dringlichkeit relativiert, sich heute für nachhaltige und umweltschonende Energien einzusetzen.

Technischer Fortschritt und Innovation werden, gezielt eingesetzt, zur Überwindung der Klimakrise beitragen können. Sie sind aber nicht gottgleiche Heilsbringer, die uns von unserer Eigenverantwortung entbinden. Nur die sofortige, langfristige und signifikante Reduktion von CO2 ist ein wirksamer Klimaschutz, nicht die vage Hoffnung auf eine technische Lösung.

CO2 braucht einen Preis

Heute hat klimaschädliches Verhalten zu oft keinen Preis. Wer sich jedoch nachhaltiger verhalten will, reduziert seine eigenen CO2-Emissionen freiwillig. Da wir (noch) nicht alle unsere Emissionen auf Netto Null reduzieren können, gibt es den freiwilligen CO2-Zertifikate Markt (Voluntary Carbon Market VCM). Hier können, in Ermangelung einer staatlichen Regelung, auf freiwilliger Basis Klimaschutzprojekte, wie die energieeffizienten Kocher von ADES, unterstützt werden. Dabei werden im Fall von ADES nicht nur Emissionen eingespart, sondern eine ganze Reihe an zusätzlichen positiven Effekten für Mensch, Flora und Fauna in Madagaskar ermöglicht. Dabei ist es zentral, dass die Kontrollmechanismen greifen und mit realistischen Zahlen gearbeitet wird. Doch was der VCM genau ist und wie er funktioniert, das werden wir im nächsten Blogartikel genauer betrachten.

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