Wie pro Spendenfranken fast drei Franken in Madagaskar ankommen

Die Non-Profit-Organisation ADES verkauft ihre Kocher in Madagaskar zu einem Bruchteil ihrer Kosten. Spendeneinnahmen betragen nur etwa einen Drittel der getätigten Investitionen. Trotzdem kann ADES ein eindrückliches Wachstum vorweisen und hat ein solides Finanzierungsmodell, dank dem pro gespendetem Franken aktuell drei Franken Madagaskar erreichen.

Im Jahr 2022 erhielt ADES von privaten Spendenden und Institutionen insgesamt CHF  1 175 000 an Spenden und Projektbeiträgen. Insgesamt tätigte ADES im selben Jahr Investitionen von fast 3 Millionen in Madagaskar.[1] Damit werden die Löhne von mehr als 250 Mitarbeitenden bezahlt, eigene Infrastruktur auf der ganzen Insel instandgehalten und ausgebaut und die verschiedenen Tätigkeiten von ADES finanziert. Dazu gehört die Produktion von Solar- und Energiesparkochern, Aufforstungsaktivitäten und Umweltbildung. Doch wie ist es möglich, dass eine NGO wie ADES so viel mehr investieren kann, als sie durch Spenden einnimmt? Während viele NGOs für ihre Finanzierung vollumfänglich auf Spenden angewiesen sind, hat ADES ein Modell mit diversifizierten Einnahmequellen entwickelt. Die Einnahmen von ADES lassen sich in drei Bereiche aufteilen: Spenden, Warenverkauf und CO2-Beiträge.

[1] Vgl. ADES, Jahresbericht 2022, S. 20-22

Spenden
In den ersten elf Jahren fokussierte sich ADES auf den Bau und Vertrieb von Solarkochern. Die Finanzierung erfolgte vor allem über Spenden. Neben privaten Unterstützenden konnte die ADES-Gründerin Regula Ochsner schon früh Institutionen wie gemeinnützige Stiftungen oder Kirchgemeinden von der Wirksamkeit der Tätigkeit überzeugen. Spenden stellen bis heute ein wesentliches Finanzierungs- und Identifikationsinstrument für ADES dar. So werden im Jahr 2023 die Aufforstungs-, Bildungs- und Sensibilisierungsmassnahmen unserer Organisation hauptsächlich durch Spenden finanziert.

Die Spenden von ADES stammten im Jahr 2022 zu ähnlichen Teilen von Privaten, institutionellen Geldgebern wie Stiftungen sowie aus Nachlässen. Langsam am Wachsen sind Beiträge von Firmenpartnern, die im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie mit ADES Projekte umsetzen (im 2022 betrugen diese etwa CHF 100 000). Diesen Bereich möchte ADES in Zukunft bewusst fördern. Dazu kommen internationale Fördergelder von EnDev (Energising Development), einer Partnerschaft verschiedener Geberländer mit dem Ziel, den Zugang zu moderner, klimafreundlicher und bezahlbarer Energie zu fördern[1].  Während Private hauptsächlich allgemeine Spenden tätigen, sind Beiträge von Stiftungen oft projektgebunden.

Warenverkauf
ADES Produkte werden in Madagaskar bewusst nicht verschenkt. ADES verkauft alle Produkte zu einem stark reduzierten Preis. Indem Menschen für die Produkte zahlen, werden diese wertgeschätzt und sorgfältiger genutzt. Das Verschenken von Produkten kann zudem das Selbstwertgefühl und die Würde der Empfängerinnen und Empfänger beeinträchtigen. Indem sie für die Produkte bezahlen, können Madagassinnen und Madagassen ihre eigenen Bedürfnisse erfüllen und langfristig für sich selbst sorgen. Dies fördert Eigenverantwortung, Selbstbestimmung, Eigenständigkeit und Autonomie.

Durch den Verkauf trägt ADES ebenfalls zur Stärkung der lokalen Wirtschaft bei. Der Verkauf selbst bildet dabei ein Glied der langen Wertschöpfungskette, die ADES in Madagaskar geschaffen hat. Das Vertriebsnetz von ADES umfasst neben 15 eigenen Standorten auf der gesamten Insel mehr als 250 unabhängige Wiederverkäuferinnen und Wiederverkäufer, die dadurch ein Einkommen generieren.

Mit dem Verkauf von mehr als 85 000 Kochern im Jahr 2022 konnte ADES insgesamt einen Verkaufserlös von CHF 330 000 generieren.[2] Das entspricht einem Durchschnittspreis von knapp CHF 3.90 pro verkauftem Kocher.  Auch wenn die effektiven Einnahmen aus dem Kocherverkauf geringer sind als Einnahmen aus Spenden oder jene durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten, bestätigen die vielfältigen positiven Nebeneffekte den Ansatz, die Kocher günstig, aber nicht gratis abzugeben.

Eine Kritik am Verkaufsmodell mit vergünstigten ADES Produkten zielt in die gegenteilige Richtung: Durch die subventionierte Abgabe der Kocher verzerrt ADES den Markt in Madagaskar und erschwert oder verunmöglicht anderen Kocherproduzenten den Verkauf eigener Produkte. Diese Kritik hat ohne Frage einen wahren Kern. Ohne den vergünstigten Preis könnten sich jedoch viele madagassische Familien keinen eigenen Kocher leisten. Zudem gibt es keinen Anbieter neben ADES, der in Madagaskar in naher Zukunft grosse Stückzahlen an energieeffizienten Kochern herstellen und vertreiben kann. Konkurrenzprodukte werden vor allem in Kleinst-Stückzahlen in Hinterhofproduktion und in geringer Qualität hergestellt. Um die hohe Nachfrage nach Energiesparkochern zu befriedigen (das staatliche Ziel ist offiziell, dass bis 2030 siebzig Prozent aller madagassischen Haushalte Energiesparkocher verwenden[3], nach unseren Berechnungen ergibt sich daraus ein Bedarf von rund 500 000 Kochern pro Jahr), führt also aktuell kein Weg an ADES vorbei. Da jeder Kocher den Holzverbrauch einer Familie, und damit deren Ausgaben und negative Auswirkung auf die Natur, signifikant verringert, ist ADES davon überzeugt, dass die positiven Effekte des vergünstigten Verkaufspreises für Mensch und Natur allfällige negative Effekte um ein Vielfaches übertreffen. Für eine möglichst grosse Wirkung baut ADES ihre Infrastruktur, ihr Vertriebsnetz und ihre Mitarbeitendenbasis stetig aus.

CO2-Beiträge
Solarkocher von ADES reduzieren, nachdem sie hergestellt sind, den Holzverbrauch beim Kochen auf null und sind daher ein wichtiges Mittel, um die Wälder in Madagaskar zu schützen. Die Produktion der Solarkocher ist aufwendig und teuer. Da sich auch das Kochen im Solar-Boxkocher deutlich vom traditionellen Kochen auf offenem Feuer unterscheidet, stagnierte die Verbreitung der Solarkocher. ADES entschied 2009, ihre Strategie anzupassen. Aus der Tonerde der Reisfelder Fianarantsoas sollten Energiesparkocher gebrannt werden. Im Jahr 2010 startete ADES die Produktion der Energiesparkocher und konnte ab 2012 die CO2-Einsparungen durch den internationalen Zertifizierer Gold Standard[4] registrieren lassen. Somit war ADES einer der ersten Projektentwickler, welcher der damals neu gegründeten Stiftung myclimate den Aufbau des Zertifikate-Vertriebs ermöglichte. Vor den Zertifikaten musste ADES jeden produzierten Kocher durch Spenden vorfinanzieren, was ein grösseres Wachstum erheblich erschwerte – jetzt war es auf einmal möglich, zusätzliche Mittel zu generieren und damit die Weiterentwicklung der Produkte voranzutreiben, ohne jedes Jahr alles wieder in Frage stellen zu müssen, da die Spendeneinnahmen naturgemäss viel weniger im Voraus kalkulierbar sind. Da die Einnahmen durch CO2-Zertifikate mit der Anzahl verkauften Kochern mitanstiegen und damit den Druck auf die Spendenbeschaffung pro Kocher senkten, ermöglichten diese erst das eindrückliche Wachstum, welches ADES seither vorweist.

[1] Vgl. https://endev.info/about-endev/
[2] Vgl. ADES, Jahresbericht 2022, S. 22
[3] Vgl. Energiestrategie der Republik Madagaskar, S.39 (http://www.ore.mg/Publication/Rapports/NouvellePolitiqueDel%27Energie.pdf)
[4] Vgl.https://www.goldstandard.org/

Einnahmen und Ausgaben von ADES
Transparenz ist ADES wichtig. Das Geldflussdiagramm bietet eine detaillierte visuelle Darstellung aller Einnahmen und Ausgaben aus dem Jahr 2022. Der Anteil der Eigenmittel (CO2-Beiträge und Warenverkäufe) am Gesamtumsatz betrug 72 Prozent. Drittmittel (freie Spenden und Projektspenden) machten 28 Prozent aus. Auf der Ausgabenseite flossen 70 Prozent in die Projekte, 85 Prozent davon in die Kocherproduktion. Die restlichen 30 Prozent des Gesamtumsatzes verteilten sich auf Mittelbeschaffung, Administration und einem Gewinn. Nachdem ADES in den Vorjahren die Gesamtrechnung mit einem kalkulierten Minus abgeschlossen hatte, war es wichtig, mit dem Gewinn wieder neue Reserven aufzubauen.

In kommenden Blogartikeln werden verschiedene Akteure und Akteurinnen beleuchten, wie der freiwillige CO2-Zertifikate-Markt funktioniert, wieso Firmen für ihr Unternehmen ein breites Nachhaltigkeitskonzept erarbeiten und umsetzen (und welche Rolle ADES dabei einnehmen kann) und welche Wirkung die Gelder von CO2-Zertifikaten in Madagaskar entfalten.

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